Jörg Gasser ist CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung SwissBanking. Seine Vision: Die Schweiz soll international führender Hub für «Sustainable Finance» werden.
Im Bereich «Sustainable Finance» liegt für den Schweizer Finanzplatz enormes Potential: Die nachhaltigen Investitionen sind im vergangenen Jahr um 83 Prozent auf den neuen Höchststand von CHF 717 Milliarden angewachsen. Nun gilt es, die Schweiz als international führenden Hub für «Sustainable Finance» zu positionieren. Packen wir es an.
Kein Thema weckt aktuell so viele Emotionen wie die Veränderung unseres Klimas: Anschaulich wird das in Diskussionen, politischen Debatten oder Protesten. Nachhaltigkeit erfordert einen systemischen Ansatz. Wir müssen in ganzheitlichen Mustern denken und handeln. Für diese komplexe Herausforderung gibt es keine simple Lösung, wir werden gemeinsam viele Teillösungen finden müssen. Dabei arbeitet die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) mit allen relevanten Akteuren eng zusammen. Wenn wir von Lösungen sprechen, so verfolgen wir eine klare Linie: Wir streben nach marktwirtschaftlichen Lösungen. Mit dem marktwirtschaftlichen Ansatz schaffen wir attraktive Rahmenbedingungen und setzen auch die richtigen Anreize. Im Vordergrund stehen fünf Forderungen.
- International koordinierter, gesamtheitlicher Ansatz: Relevante Massstäbe müssen global koordiniert sein, damit sie Wirkung entfalten können. Dabei muss vermieden werden, dass andere Finanzplätze – mit laschen Regeln – gewisse nicht nachhaltige Geschäfte anziehen und damit den Weg zu unserem Ziel in eine zuwiderlaufende Richtung lenken. Das würde nicht nur dem Klima schaden, sondern auch unserer Wettbewerbsfähigkeit.
Weiter ist für uns eine gesamtheitliche Herangehensweise entscheidend, die alle Akteure umfasst. Wir sprechen vom sogenannten «Dreiklang», bestehend aus Anlegern wie Pensionskassen, Intermediären, also den Banken, und allen Produkten im Anlageuniversum.
- Keine Restriktionen für das nachhaltige Anlegen: Ein Fehlanreiz besteht heute in den Anlagerichtlinien der beruflichen Vorsorge. Es ist störend, dass die Pensionskassen Restriktionen für bestimmte Anlagekategorien unterliegen. Leider fallen heute auch viele nachhaltige Anlagen darunter, zum Beispiel im Bereich der Infrastruktur oder der Anleihen. Wir fordern, dass für alle nachhaltigen Anlagen Restriktionen und Limite entfallen – ob traditionell oder alternativ. Institutionelle Anleger brauchen Freiräume. Aus einer liberalen Sicht sind Anreize der zentrale Weg, um Verhalten zu verändern. Wir fordern hierfür eine Modernisierung der Anlagerichtlinien. Gerade angesichts der negativen Zinskurve ist ein zu enges Konzept von Anlagevorschriften für unser aller Pensionskassengeld fatal.
- Leitfaden im Bereich «Sustainable Finance» für die Bankberater: Die Banken als Intermediäre sind gefordert, die Nachhaltigkeit konsequent in den Beratungsprozess der Kunden einfliessen zu lassen. Letztendlich entscheidet aber der Kunde, wie nachhaltig seine Anlagen sein sollen. Die Banken als Intermediäre müssen jedoch ihren Beitrag leisten, damit nachhaltige Anlagen zur neuen Norm werden. Der Branche soll ein Orientierungsrahmen im Umgang mit Sustainable Finance helfen: Hier ist die Bankiervereinigung am Ball und aktiv. Wir planen, in der ersten Hälfte des nächsten Jahres entsprechende Leitlinien und Empfehlungen für unsere Mitglieder zu veröffentlichen.
- Attraktive nachhaltige Produkte von steuerlichen Hürden befreien: Anlagen – nicht nur nachhaltige – sind heute von steuerlichen Hürden umgeben. Die Folge: Wir haben als Finanzplatz im internationalen Vergleich einen Wettbewerbsnachteil. Wir fordern deshalb und besonders auch im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte, dass die Verrechnungssteuer reformiert und die Stempelabgaben (vor allem für nachhaltige Produkte) schrittweise abgeschafft werden. Wenn wir diese Bremsen lösen, bin ich überzeugt, dass wir einen riesigen Hebel für mehr Wachstum gerade bei nachhaltigen Finanzanlagen haben.
- Mittels Marktzugang die Exportfähigkeit von «Swiss Sustainable Finance» stärken: Die Schweizer Finanzplatzakteure haben viel Know-How und Expertise im Bereich «Sustainable Finance», aber sie können diese nicht oder nur eingeschränkt exportieren. Der Grund: Dem Schweizer Finanzplatz fehlt der Marktzugang vor allem in den europäischen Markt. Wir setzen uns deshalb gerade auch aus einer Sustainable-Finance-Perspektive für die Verbesserung des Marktzugangs weltweit ein, damit unsere nachhaltigen Finanzprodukte weltweit vertrieben werden können und ihre Wirkung breit entfalten können.
Dass im Bereich «Sustainable Finance» enormes Potential liegt, zeigen die jüngsten Zahlen: Die nachhaltigen Investitionen sind im vergangenen Jahr um 83 Prozent auf den neuen Höchststand von CHF 717 Milliarden angewachsen. (Quelle: Marktstudie Swiss Sustainable Finance). Der Anteil an nachhaltigen Anlagen liegt in der Schweiz klar über dem internationalen Schnitt. Gleichwohl ist für den Finanzplatz und die gesamte Schweiz noch viel Potential vorhanden, vor allem wenn wir international wachsen können. Wir stehen erst am Anfang und wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen: Die Schweiz als international führender Hub für «Sustainable Finance» – das ist unsere Vision.