Beat Tinner ist Gemeindepräsident von Wartau SG. Er kandidiert auf der Liste der FDP Kanton St. Gallen für den Nationalrat.
Was wären Ihre energiepolitischen Prioritäten, falls Sie am 20. Oktober in den Nationalrat gewählt werden?
Ich stehe dafür ein, nicht vorschnell neue Gesetze oder Strategien zu verabschieden. In erster Linie gilt es, die Wasserkraft und die Solarenergie auszubauen. Wobei ein sinnvoller Mix aller Energieträger beibehalten werden soll. An oberster Stelle steht für mich die Versorgungssicherheit. Um die Produktion von Solarstrom zu erhöhen, müssen wir das Potential ausschöpfen und beispielsweise die rigide Bewilligungspraxis der Denkmalpflege anpassen. Der Dorfbildschutz und die erneuerbaren Energien müssen in Einklang gebracht werden.
Wie gross wird Ihres Erachtens der Anteil an Solarstrom in 30 Jahren am gesamten Stromverbrauch sein?
Der Anteil könnte dann bei rund einem Drittel bis 40 Prozent liegen. Dafür ist kein weiterer Ausbau der heute bestehenden Fördermittel nötig. Solarstrom kann bereits heute konkurrenzfähig erzeugt werden. Man sollte vor allem bemüht sein, Hürden für solche Anlagen zu beseitigen.
Müsste man die Wasserkraft entlasten?
Abgaben wie Wasserzinsen und auch andere Lenkungsabgaben müssen immer wieder hinterfragt und nötigenfalls nach unten angepasst werden – insbesondere solange die aktuellen Marktpreise die Gestehungskosten pro Kilowattstunde aus Wasserkraft nicht decken und die Produktion nicht konkurrenzfähig ist.
Wie deckt die Schweiz aus Ihrer Sicht in Zukunft ihren Strombedarf am besten?
Der möglichst effiziente Einsatz von Energie sollte überall an erster Stelle stehen. Um den Bedarf decken zu können braucht es einen sinnvollen Mix. Erneuerbare Energien müssen ausgeschöpft und Atomkraftwerke nicht überhastet abgeschaltet werden. Grosses Potenzial besteht zudem in der Wärmekraftkoppelung. So kann Strom dann erzeugt werden, wenn auch Wärme benötigt wird. Diese Möglichkeit sollten wir systematischer angehen. Grosse Gaskombikraftwerke werden viel Widerstand erfahren. Man sollte eventuell entstehende Produktionslücken eher durch mehrere kleine, flexible Gaskraftwerke, zum Beispiel bei Kehrrichtverbrennungsanlagen mit bestehenden Wärmenetzen ausgleichen. Eine einseitige Ausrichtung auf den Strom macht aber auch keinen Sinn. Vor allem beim Verkehr und bei den Heizsystemen sind Erdgas und Biogas wertvolle Energieträger. Insbesondere beim motorisierten Verkehr ist auch eine Selbstbeschränkung beziehungsweise der Umstieg auf den ÖV eine effiziente Alternative.
Die Laufzeiten der Atomkraftwerke sorgen für viel Gesprächsstoff. Was halten Sie von der Forderung, die Laufzeiten auf 60 Jahre zu beschränken?
Solange AKW technisch auf dem neuesten Stand sind und sicherheitsmässig keine Lücken aufweisen, sehe ich keine regulatorisch vorgegebene Begrenzung der Laufzeit. Die Kraftwerkbetreiber sollten sich vor allem am internationalen Strommarkt orientieren, so dass keine Fehlinvestitionen getätigt werden und man den marktbezogenen, rechtzeitigen Ausstieg vollzieht. Die Versorgungssicherheit hat für mich dabei hohe Priorität.
Der Energieverbrauch hat auch eine persönliche Seite. Was ist Ihr Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, die sich die Schweiz gesetzt hat?
Ich reise mit dem ÖV und so wenig wie möglich mit dem Auto. Dazu beziehe ich grünen Strom und verwende Biogas fürs Heizen. Als Präsident der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Ostschweiz (IGöV) setze ich mich dafür ein, dass wir attraktive Bahn- und Busverbindungen haben und so möglichst viele Pendler und Reisende motivieren können, auf den ÖV umzusteigen. Schliesslich kann und muss jeder durch sein Verhalten einen Beitrag leisten, damit diese Ziele erreicht werden.
Was ist Ihre Energie-Sünde?
Absichtlich begehe ich keine Energie-Sünden. Das heisst aber nicht, dass ich mein Verhalten diesbezüglich nicht auch noch verbessern könnte.