Wandelt sich die Wandelhalle diesen Herbst zur Klimawandelhalle? Umfragen, Sorgenbarometer und Wahlversprechen von Kandidierenden sprechen derzeit dafür. Doch der Kampf um Stimmen und Anerkennung lädt dazu ein, die Sorgen der Bevölkerung zu missbrauchen. Im Umweltschutz spricht man von «Greenwashing»: Firmen oder PolitikerInnen stellen sich umweltbewusster dar, als sie es sind, und polieren damit ihr Image. Der jüngste Trend: «Climatewashing», die Sorge gegenüber dem Klimawandel für die eigene Sache nutzen.
Abhilfe schaffen zwei einfache Tools, mit denen Kandidierendeauf ihren Tatbeweis getestet werden können: Unter ecorating.ch kann nachverfolgt werden, wer in den vergangenen vier Jahren klimafreundlich abgestimmt hat und künftige Massnahmen begrüsst. Und unter energielobby.ch lassen sich die zahlreichen Mandate amtierender ParlamentarierInnen im Klima- und Energiebereich nachverfolgen. So manch eines davon könnte Amtsträgerinnen und Amtsträger in ihrem umweltpolitischen Engagement bremsen – oder beflügeln.
Auch Firmen springen gerne auf die Klimawelle auf. Der Slogan «Klimawahl», ist keine Erfindung der Axpo, die diese Webseite betreibt, sondern die Forderung von Klimajugend, Umweltorganisationen und BürgerInnen, endlich griffige Massnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Die Axpo hat das Thema dankend aufgenommen: Mit klimafreundlichen erneuerbaren Energien lässt sich zumindest im Ausland Geld verdienen. Hinzu kommt ihr im Inland auf den ersten Blick klimafreundlicher Kraftwerkspark mit vielen Wasserkraftwerken und drei Kernkraftwerken. Doch gerade bei der Kernkraft offenbart sich das Eigeninteresse, dass die Axpo leitet: Die Technologie mag punkto CO2ähnlich gut abschneiden wie die Erneuerbaren, doch mit Blick auf die gesamte Umweltbelastung schneiden AKW klar schlechter ab als fossile Gaskraftwerke. Die Axpo nutzt die aktuelle klimapolitische Sensibilität zum «Climatewashing» ihrer überalterten Kernkraftwerke.
In den 00er-Jahren wollte die Axpo ihr ältestes Kernkraftwerk auf der Beznau stilllegen und ersetzen. Eine Nachrüstung auf den Stand der Sicherheit moderner Kernkraftwerke war unmöglich. Seither hat sich gezeigt, dass neue Kernkraftwerke schlicht zu teuer und nach dem Super-GAU von Fukushima auch nicht mehr mehrheitsfähig sind. Wenn die Axpo nun das AKW Beznau als «Klimakraftwerk» jahrelang weiterlaufen lassen will, versucht sie, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben: Ein grosses regionales Umweltrisiko ist kein probates Mittel gegen das globale Klimarisiko.Dass die Axpo die sich bietende Chance nutzen will, liegt auf der Hand. Bei den meisten Energieunternehmen entscheiden wirtschaftliche Interessen über deren Tun und Lassen. Doch die Zeitnot bei der Lösung des Klimaproblems erfordert mehr, als bei der Klima- und Energiepolitik nur an den nächsten Jahresabschluss zu denken. Was es braucht, ist der politische Wille zur Veränderung. Es empfiehlt sich, den Wahlzettel sorgfältig auszufüllen.